Immer wieder erfährt die Salvatorianerin in seelsorgerischen Gesprächen, wie „wir Menschen uns ziemlich oft im Weg stehen oder uns ein Bein stellen. Viele erleben ihren eigenen Körper als Fremdkörper. Da lässt der innere Kritiker kein gutes Haar, sobald es um das eigene Aussehen geht: ‚Schau dir bloß deine Nase an!‘ stichelt er. Oder: ‚Wie fett du bist, du ertrinkst ja fast in denen Rettungsringen!‘ Beim Umgang mit anderen Menschen sind wir wohlwollender und klüger als beim Umgang mit uns selbst.“ Doch um andere wirklich zu mögen, braucht es den Respekt vor sich selbst. Es sei eine Kunst, mit sich selbst in Freundschaft zu leben, betonte die Referentin, eine Freundschaft, die zu einem gelungenen Leben gehöre. „Auch lassen wir Menschen uns selbst im Stich, wenn wir uns durch die Angst verführen lassen, Erwartungen anderer zu enttäuschen“ und Dinge tun, die uns eigentlich zuwider sind, etwa alles freundlich abnicken und keinen Klartext reden. Wer das Letzte aus sich rauspresst, fühlt sich am Ende saft- und kraftlos, tut man letztlich nicht das, von dem man „eigentlich“ überzeugt ist. Auch negative Selbstbilder, man sei nicht sportlich genug, nicht spirituell, nicht fleißig genug, können einengen. Beim Datenabgleich zwischen Ist und Soll schneiden wir immer schlechter ab, so die Referentin im Laacher Forum. Melanie Wolfers: „Im Blick auf Idealbilder erschrecke ich immer wieder, wie stark unsere Kultur von einem Lebensgefühl des Mangels infiziert ist.“
Heitere Haltung, die auch das Weinen kennt
Wenn die Menschen in Deutschland das Smartphone im Schnitt täglich drei Stunden in der Hand halten und alle 15 Minuten draufschauen, sind sie nicht mit sich selbst beschäftigt, sondern richten ihre Aufmerksamkeit auf Äußeres. Es fehlt der kleine persönliche Check, das kurze Innehalten beim Hochfahren des PC, vor der roten Ampel oder bei anderen Gelegenheiten, die zum Warten zwingen. „In dem Maße, in dem wir den Raum der Stille häufiger aufsuchen, werden wir mehr in Kontakt mit uns selbst kommen“, sagte Melanie Wolfers, die diese Erkenntnis mit einem Satz von Bernhard von Clairvaux unterstrich: „Geh Deinem Gott entgegen bis zu Dir selbst.“ Und sie riet in Maria Laach zu einer heiteren Haltung, die auch das Weinen kennt. Demnach dürfen wir uns auch Trauer über verpasste Gelegenheiten erlauben, müssen nicht immer nur bis zum Abwinken „glücklich“ sein. Trauer kann beruhigen lautet ihr Fazit. „Viele wären glücklicher, wenn sie auch einmal unglücklich sein dürften. In all den kleinen Abschieden klopft der ultimative Abschied – der Tod – an die Tür.“ Zwar schmerze die Trauer, doch, „unsere Seele holt in Zeiten der Trauer Atem.“ Trauer gehört auch zu einem gläubigen Leben, betonte die Salvatorianerin, „denn selbst mit Gottes Hilfe wird kein spiritueller Salto an uns vorbeigehen.“ Und wenn Melanie Wolfers in der Sterbebegleitung Menschen begegnet, die mit sich, der Welt und mit Gott versöhnt sind, erkennt sie in ihren Augen „ein Lächeln, dem man ansieht, dass es geweint hat. Ein Lächeln, das ein erfülltes Leben war.“