Pater Albert Sieger OSB begrüßte seinen Mitbruder und nannte Gelassenheit eine Haltung, „die sich im Trubel bewährt“ und die wir gut gebrauchen können. Es ist schon bemerkenswert, so Altabt Fidelis Ruppert, dass sich die christlichen Mönche als Gebetbuch eine jüdische Gebetsammlung auswählten, die nicht nur in der Liturgie eine Rolle spielt. Ihre Wirkung erhalten die 150 Psalmen, wenn sich Mönche, passend zu ihrer Situation – ob Traurigkeit, Angst oder Dankbarkeit – einen Psalm oder einzelne Verse auswählen, Vertrauensworte, die sich in der Wiederholung in der Seele verankern und zu immer tieferem Gottvertrauen führen. Diese Praxis begleitet die Christen bis heute durch den Alltag. Und Pater Fidelis bemerkte aus eigener Erfahrung: „Wenn man die Texte liest, dann merkt man: Das hat was mit mir zu tun.“ Da Bücher bis zum Beginn der Neuzeit teuer waren, lernten die Mönche die Texte auswendig. Durch ständige Wiederholung gingen sie ihnen in Fleisch und Blut über. „Alles was wir verinnerlichen, prägt uns“, so der Referent zu dieser Praxis. Und er zitierte Dorothee Sölle, die vom „Psalmen essen“ sprach: „Psalmen sind für mich eines der wichtigsten Lebensmittel, sie sind für mich wie Brot.“ Man müsse nicht alle Psalmen lieben, sollte jedoch immer wieder jene Texte wiederholen, aus denen Kraft kommt, riet der Benediktiner im Laacher Forum. Schließlich seien es Texte, die die Freiheit vergrößern, ein „Ja“ oder „Nein“ zu sagen. Die alten Mönche nutzten sie als Waffe im geistigen Kampf, zur „inneren Auseinandersetzung mit dem eigenen Durcheinander“ mit dem Ziel, „dass es in der Seele heller wird“, so der Altabt von Münsterschwarzach. Und er verdeutlichte den zielführenden inneren Kampf am Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“, Jesu Worte am Kreuz. Der Psalm oszilliert immer wieder zwischen Klage und Lobpreis. So erinnert etwa der Psalmist, wie Gott den Vätern geholfen hat, um dann zu klagen: „Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, der Leute Spott und vom Volk verachtet.“ 22,6 Und auch diese Klage kippt, geht über in kindliches Vertrauen: „Du bist es, der mich aus dem Schoß meiner Mutter zog …. Vom Mutterleib an bist du mein Gott.“ 22,10f. Wie Wellen wechseln Klage und Vertrauen. „Er jammert nicht, sondern sagt es Gott direkt“, erklärte Fidelis Ruppert, der in den sich nur anscheinend widersprechenden Aussagen eine „Gebetspsychologie“ ausmacht, wie sie bereits in der Eröffnungszeile in der direkten Ansprache Gottes deutlich wird. Nach all diesen durchlebten Höhen und Tiefen endet der Klagepsalm, erinnernd an alle Heilstaten, im Lobpreis. Altabt Fidelis Ruppert OSB: „Der Beter muss sich durch die Bilder des Schreckens erst hindurchbeten. Nach dem Kampf findet er inneren Frieden, auch wenn die Probleme noch nicht gelöst sind.“ Sein Glaube ist tiefer geworden. „Lasse ich mich von der Angst beherrschen, oder gelingt es mir, mich an positive Erfahrungen zu erinnern“, fragte der Benediktinerpater und zitierte eine indianische Parabel, die von zwei Wölfen in unserem Inneren spricht, einem sanften und einem, der negative Gefühle auslöst: „Welcher Wolf gewinnt? Es ist der, den ich füttere. Die negativen Gefühle können wir nicht totschlagen, aber wir können die positiven Dinge füttern.“ Einem seiner Exerzitienteilnehmer sei durch die Geschichte klar geworden, dass er sich ins Negative verrannt, „oft den falschen Wolf gefüttert“ habe. Pater Fidelis Ruppert: „Worauf konzentriere ich meine Aufmerksamkeit? Was ich füttere, das wächst in meiner Seele.“ Auch im dunkelsten Psalm 88, in dem Gott nicht antwortet und der in der Finsternis verdämmert, bleibt der Beter mit Gott im Gespräch. Altabt Fidelis Ruppert: „Ist das noch Gebet? Ich glaube schon. Schön, dass die Bibel uns ein Gebet auch ohne Happyend anbietet.“ Und der Altabt erinnerte an Karl Rahner, der mit Blick auf die „schweigende Unbegreiflichkeit Gottes“ von einem „Schweben zwischen Ja und Nein“ sprach. Schließlich seien „die Rätsel Gottes oft befriedigender als die billigen Lösungen der Menschen.“ Altabt Fidelis Ruppert verdeutlichte in seinem Vortrag die Aktualität der Psalmen und machte auch modernen Menschen Lust, diesen Schatz zu heben, fürs eigene Leben zu nutzen und so Gelassenheit zu gewinnen.
Bericht: E.T. Müller, Medienbüro Burgbrohl